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12.04.2020
„Wir sind eine ganz große Familie“

Off-Season Interview mit Dragons-Headcoach Tuna Isler

Newsbild:Christian Wüst; Titelbild: Sebastian Neddermann

Eher als erwartet endetet die die Saison 2019/20 in der BARMER 2. Basketball Bundesliga – auch für Dragons-Headcoach Tuna Isler. Im Off-Season Interview lässt der 30-jährige seinen Einstieg als ProA-Cheftrainer Revue passieren, spricht über zunehmende Handy-Abhängigkeit, die Zusammenarbeit mit Co-Trainer Patrick Flomo und die besondere Bedeutung des Slogans „Kleine Stadt. Große Liebe“.

Tuna, du hast dich in der aktuellen Situation dagegen entschieden in deine hessische Heimat zu fahren. Wie kamst du zu diesem Entschluss und wie geht es dir aktuell?

Mir geht es gut, gesundheitlich ist alles in Ordnung. Man fühlt sich in einer kleinen Stadt wie Quakenbrück derzeit einfach wohler, weil automatisch weniger Menschen aufeinandertreffen. Aufgrund dieser speziellen Situation habe ich mich dagegen entschieden in die Heimat zu fahren, weil ich das Risiko ein potenzieller Träger zu sein nicht an meine Familie herantragen wollte. Sie hätte ich nach langer Zeit natürlich genauso gerne wiedergesehen, wie meinen sehr engen Kern an Freunden, diese potenzielle Gefahr hätte ich allerdings nicht darstellen wollen. Meine ältere Schwester ist Chirurgin im Krankenhaus und somit einer extrem schwierigen Situation ausgesetzt – sie hätte ich also ohnehin nicht besuchen können. Weil wir uns alle jetzt eine ganze Weile nicht gesehen haben, war die Entscheidung zwar schwer, so allerdings auch am sinnvollsten. Nun müssen wir eben aufs Telefon oder den Videochat zurückgreifen, da gibt es heutzutage glücklicherweise ja einige Optionen.

Wie vertreibst du dir momentan die Zeit? Nichts zu coachen und dein Motorrad muss derzeit trotz des guten Wetters ja auch in der Garage stehenbleiben…

Es gibt für mich trotz allem sehr viel zu tun. Ich kann nun sehr vieles Revue passieren lassen und die Saison nacharbeiten. Was hat funktioniert? Was hingegen eher weniger? Ansonsten ist mir zu keinem Zeitpunkt langweilig. Außerdem bin selbst sportlich sehr aktiv. Wenn es das Wetter erlaubt, was es aktuell ja tut, gehe ich jeden zweiten Tag laufen und mache zusätzlich viel Krafttraining. Schon vor Beginn der Krise habe ich begonnen viel mit meinem eigenen Körpergewicht zu arbeiten, der Übergang verlief gezwungenermaßen also quasi fließend. Natürlich fehlt mir die Möglichkeit mit meinem Motorrad zu fahren momentan sehr. Ich hätte gerne die Gegend erkundet, die Natur genossen und Spaß auf dem Motorrad gehabt – derzeit gibt es jedoch wichtigere Dinge. Beruflich und privat habe ich das Handy dazu im Moment extrem häufig in der Hand und telefoniere sehr lange. Das nervt mich teilweise schon ein bisschen, weil man sowieso schon von seinem Handy abhängig zu sein scheint, aktuell ist es aber nicht anders möglich.

Vor allem für dich persönlich hielt die nun beendete Spielzeit einiges bereit. Du bist vom Co- zum Cheftrainer aufgestiegen und standst vor der Aufgabe, eine verunsicherte Mannschaft vor dem Abstieg zu bewahren und gleichzeitig ein neues Spielsystem zu etablieren. Welche Schlüsse ziehst du aus der abgelaufenen Saison?

In der vergangenen Spielzeit ist eine Menge passiert – das war eine große Herausforderung für den Verein, die Spieler und für mich. Das Jahr ist extrem unglücklich verlaufen, wir hatten viele Verletzungen zu beklagen, dazu kamen immer wiederkehrende Probleme, die man so nicht vorhersehen konnte. Ich bin bereits seit ein paar Jahren in dieser Liga, kenne die ProA mittlerweile recht gut und hatte nun erstmals die Möglichkeit mein Basketballverständnis als Cheftrainer einzubringen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Veränderungen und das neue Spielsystem in einer solch riskanten Situation, in der es galt, den Abstieg zu verhindern, gegriffen haben. Wir standen mit dem Rücken zur Wand und mussten dennoch gegen hochkarätige Gegner Spiele gewinnen. Das Ganze mit einem neuen Coach und einem bis dahin nicht praktizierten Spielsystem – die Aufgabe war also schon enorm anspruchsvoll. Von daher bin ich froh, dass meine theoretischen Überlegungen auch in der Praxis gefruchtet haben. Besonders gefreut hat es mich, dass wir unsere Qualität vor allem in unseren Heimspielen, von denen wir zuletzt sechs in Folge gewonnen hatten, zeigen konnten.

Dabei war dir vor allem die Integration von Nachwuchsspielern wichtig…

Total. Angefangen mit Marius Lau, über David Röll, bis hin zu Marvin Möller – jeder hat seinen Betrag geleistet. Zudem haben Jannes Hundt, Thorben Döding, Danielius Lavrinovicius und Jonas Herold sehr hart gearbeitet und sich toll weiterentwickelt. All diese jungen Spieler haben in dieser für uns sehr komplizierten Phase einen tollen Charakter bewiesen. Die Art und Weise wie wir zusammengewachsen sind war schon sehr beachtlich. Die Jungs haben unser neues Spielsystem immer besser verstanden, die Chemie innerhalb der Mannschaft wurde immer homogener. Nur so konnten wir uns als Team präsentieren, auf den Schultern von zwei oder drei Spielern lässt sich die Last im Basketball einfach nicht ausbalancieren. Das muss man im Kollektiv lösen – erst recht in einer solch prekären und gefährlichen Situation. Das war eines unserer Erfolgsrezepte.

Was nimmst du als Trainer aus der abgelaufenen Saison mit?

Ich bin sehr froh, dass meine Konzepte offensiv als auch defensiv ziemlich gut gegriffen haben. Besonders die defensive Stabilität lag mir am Herzen. Wir haben definitiv mehr richtig, als falsch gemacht. Jetzt nutze ich die Zeit, um zu rekapitulieren und zu schauen: Was ist falsch gelaufen und vor allem – wieso? Wie kann man es zukünftig besser machen? Da werden uns die Erfahrungen aus der letzten Saison enorm helfen, gleichzeitig wollen wir natürlich auf unseren Stärken aufbauen. Außerdem hat sich meine Interaktion innerhalb des Vereins deutlich erhöht. Dieser familiäre Zusammenhalt ist das Besondere an diesem Standort. Als wir tatsächlich Gefahr liefen in die ProB abzusteigen, war der Rückhalt trotzdem stets gegeben. Die Kommunikation mit allen Helfern, Partnern und Fans war durchweg positiv, was uns unheimlich geholfen hat.

Wie schätzt du die Zusammenarbeit mit deinem Co-Trainer Patrick Flomo ein? Wie habt ihr die Aufgaben untereinander aufgeteilt?

Ich würde mich selbst als umgänglichen Typen beschreiben, das Gleiche trifft im selben Maße auf Pat zu. Im Gegensatz zu mir hat er allerdings eine unfassbare Spieler-Vita vorzuweisen und weiß, wie das Profi-Geschäft läuft – das wollten wir natürlich nutzen. Als Trainer hatte er zwar noch nicht so viel Erfahrung, durch seine Karriere als Spieler konnte er das jedoch gut ausgleichen. Wir haben uns sehr gut ergänzt: er durch seinen langjährigen Weg als Profi, ich durch meine vorherigen Stationen als Head- und Assistantcoach. Dadurch wusste ich auch schon, was ihn als Co-Trainer erwarten würde. Der Step kam ja auch für ihn unerwartet. Als eigeplanter Coach des NBBL-Teams nach Quakenbrück gekommen, dann dazu noch parallel in der ProA arbeiten – die Doppelbelastung hat uns schon sehr gefordert. Deshalb habe ich versucht einzuschätzen, was er tatsächlich umsetzen und übernehmen kann, und das anschließend offen mit ihm besprochen. Unter diesen schwierigen Umständen haben wir trotzdem sehr effektiv zusammengearbeitet. Basis dafür ist natürlich eine gute Kommunikation. Die genaue Aufteilung der Aufgaben war dennoch eine große Herausforderung. Pat war auch weiterhin für die Jugendarbeit zuständig, ich hätte ihn also gar nicht in dem üblichen Ausmaß eines Assistantcoaches einspannen können. Trotzdem können wir beide stolz auf die Umsetzung sein.

Vor allem in der heimischen Artland Arena lief es zuletzt fantastisch. Was möchtest du den Dragons-Fans abschließend in diesen komplizierten Zeiten mit auf den Weg geben?

Wenn ich über das Team rede, sind ja meistens die Spieler und wir Coaches gemeint. Wenn man es aber genau betrachtet, sind wir hier eine ganz große Familie. Das betrifft das Team in der Geschäftsstelle und alle Helfer an den Spieltagen, die Profibasketball in Quakenbrück überhaupt erst möglich machen. Da sieht man, dass unser Slogan „Kleine Stadt. Große Liebe“ perfekt passt und hier wirklich gelebt wird. In der Rückrunde, als wir mit dem Rücken zur Wand standen und vom Abstieg bedroht waren, war die Reaktion von unseren Fans fantastisch. Uns nun noch stärker zu unterstützen, noch mehr zu puschen, in unseren Heimspielen alles zu geben – das war schon klasse. Die sechs Siege in Folge sind auch ihr Verdienst. Diese gelebte Liebe war nicht nur ein kurzes Feuer, sondern hat in jedem Spiel gebrannt. Dafür können wir ihnen einfach nicht genug danken.

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